Interview mit Prof. Dr. med. Bernd Neubauer und Dominika Schiebl zum Thema: "MCT8/AHDS und Ziele des Vereines MCT8 Forschung"
Interviewer: Guten Tag Frau Schiebl, guten Tag Herr Prof. Neubauer. Frau Schiebl, Sie sind die Vorstandsvorsitzende des Vereins MCT8 Forschung. Herr Professor Neubauer, Sie sind Kinderneurologe und Mitglied des Beirats des Vereins. Koennten Sie kurz erklaeren, was hinter dem Begriff MCT8 steckt?
Prof. Neubauer: Es ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung, die im Kindesalter manifest wird. MCT8 ist ein Transporter-Protein, das bei diesen Kindern defekt ist. Dies fuerht dazu, dass sie das lebensnotwendige Schilddruesenhormon, das in ihren Koerpern eigentlich richtig hergestellt wird, nicht in die Zellen ihres Nervensystems transportieren koennen. Und da alle Zellen unseres Koerpers auf dieses Hormon angewiesen sind, ohne dass wir das merken, koennen sich die Nervenzellen dieser Kinder nicht richtig entwickeln. Und darunter leiden sie, ihre neurologische Entwicklung leidet, und das ist das was sie krank macht.
Interviewer: Wuerden Sie kurz erlaeutern, was das fuer das Leben der Kinder bedeutet?
Prof. Neubauer: Die Kinder sind am Anfang noch ganz normal entwickelt, zeigen dann aber relativ schnell nach der Geburt, dass ihre Muskulatur nicht richtig gesteuert werden kann. Sie sind muskelschwach, sie keonnen keine richtige Koerperkontrolle erlangen, und ihre motorische Entwicklung, die normalerweise zunehmende Kopfkontrolle, allmaehliches Wenden von Bauch auf Rueckenlage usw. beinhaltet, die kann nicht richtig ablaufen, weil eben das Nervensystem durch diesen Hormonmangel nicht richtig reifen kann, sondern auf dem Stadium eines Neugeborenen und eines jungen Kindes bleibt und sich nicht fort entwickelt.
Interviewer: Auch wenn es aus heutiger Sicht noch keine Aussicht auf Heilung gibt und Sie sicherlich sehr vorsichtig mit Prognosen sein werden, wo sehen Sie Ansaetze im Bereich der Forschung?
Prof. Neubauer: Tatsaechlich gibt es bereits heute erste Moeglichkeiten, diesen Transporterdefekt zu umgehen, indem man andere Schilddruesenhormone benutzt, die man als Medikament zufuehren kann, die der Koerper nicht selber herstellt, und die dann durch andere Transportsysteme doch noch in die Zelle gebracht werden. Die wirken leider noch nicht genauso gut wie das biologisch hergestellte Hormon und leider weiss man bei der Geburt der Kinder nicht, dass sie diese Erkrankung haben, so dass einige Monate vergehen, bis die Erkrankung diagnostiziert wird, und man diese Praeparate zum Einsatz bringen kann. Das sind die zwei Hauptprobleme. Wir brauchen noch besser wirksame Medikamente, die noch besser in der Lage sind, in die Zelle zu kommen, und die Patienten muessen noch frueher identifiziert werden.
Interviewer: Frau Schiebl, was ist das Ziel des Vereines?
Dominika Schiebl: Es geht zunaechst einmal darum, diesen Kindern Behandlungsmoeglichkeiten zu geben, die das taegliche Leben erleichtern. Darueber hinaus moechte unser Verein bei der Erforschung dieser seltenen Erkrankung aktiv helfen, um ein Heilmittel zu finden.
Die Forschung hat bereits erste Erfolge erzielt und die Wissenschaftler machen gute Fortschritte, aber es geht sehr langsam voran. Es gibt bisher keine standardisierte Therapiemoeglichkeit für Patienten mit AHDS.
Und es ist schwierig dafuer Unterstuetzung von der Pharmaindustrie zu bekommen, weil das Syndrom so selten ist.
Interviewer: Mit den beiden preisgekroenten Wissenschaftlern, Herrn Prof. Schweizer und Frau Dr. Braun, die im Bereich MCT8 forschen, haben Sie wohl die besten Berater an Ihrer Seite. Gute Voraussetzungen, um auf direktem Wege Erfolg zu haben?
Dominika Schiebl: Wir sind gluecklich so hochkaraetige Beiratmitglieder bei uns zu haben. Herr Prof. Neubauer ist einer der fuehrenden Kinderneurologen Deutschlands und befasst sich seit 5 Jahren mit der Erkrankung. Das gibt uns natuerlich Sicherheit und Zuversicht, dass wir das in uns gesetzte Vertrauen nicht enttaeuschen, und einen Weg finden werden, um den Kindern zu helfen.
Interviewer: Wo bekommen Sie denn Unterstuetzung und Hilfe?
Dominika Schiebl: Wir haben, was den Einsatz der Forscher und Aerzte anbetrifft, wunderbare Erfahrungen machen duerfen. Leider bekommen wir aus der Pharmaindustrie keine Hilfe, da es, wie schon gesagt, aus wirtschaftlichen Gruenden bei einer selten Krankheit wenig interessant ist, in die Forschung zu investieren. Wir sind also auf privates Engagement und Spenden angewiesen, um den Kindern zu helfen.
Interviewer: Frau Schiebl, noch ein Schlusswort?
Dominika Schiebl: Wir sind dankbar fuer die bisherige Entwicklung und zuversichtlich, dass wir in Zukunft unseren Beitrag dazu leisten werden. Und natuerlich geben wir die Hoffnung auf kleine Wunder nicht auf.
Interviewer: Frau Schiebl, Professor Neubauer, vielen Dank fuer das Gespraech. Wir wuenschen Ihnen von Herzen viel Erfolg.